Die jüdischen Gemeinden in Sachsen in Kurzporträts
Die Israelitische Religionsgemeinde zu Leipzig
Als eine der wenigen Synagogen in Deutschland hat die Leipziger Synagoge in der Keilstraße die Reichspogromnacht 1938 überstanden. Das im Jahre 1904 eingeweihte Haus gründet sich auf die unmittelbar nach dem Siebenjährigen Krieg eingerichtete „Brodyer Shul“ . Etwa um 1763/64 errichteten jüdische Pelzhändler aus der galizischen Stadt Brody, die mit ihren Waren zu den Messen nach Leipzig kamen, am Brühl eine Synagoge. Zu dieser Zeit existierte in Leipzig noch keine eigenständige jüdische Gemeinde. Die offizielle Gründung von jüdischen Gemeinden in Sachsen (Dresden und Leipzig) wurde durch die ersten Emanzipationsgesetze vom Mai 1837 möglich. Der 2. Juni 1847 gilt als Datierung für die formal-juristische Gründung der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig.
Im Dezember 1900 erwarb der Kaufmann Friedrich Gutfreund eine Hälfte (Nr. 4) des in den Jahren 1897/98 erbauten Doppelwohnhauses Keilstraße 4-6. Im August 1901 hatte Gutfreund Baupläne zum Umbau des Erdgeschosses in einen Betsaal eingereicht. Als Architekt konnte der Leipziger Baumeister Oscar Schade gewonnen werden. Im April 1903 erwarb der Talmud-Thora-Verein das Gebäude, und zwei Monate später begannen die Umbauarbeiten. Um eine ausreichende Raumhöhe zu gewinnen, wurde die Decke zwischen Erdgeschoß und dem ersten Obergeschoß entfernt und der Fußboden ein wenig gesenkt. Er waren unten 270 Sitzplätze und auf der an drei Seiten umlaufenden Empore 240 Sitzplätze vorgesehen.

Als Direktor wurde der seit 1900 in der „Brodyer Synagoge“ wirkende Rabbiner Dr. Ephraim Carlebach verpflichtet, der auch eine Dienstwohnung in der zweiten Etage bezog.
Im März 1904 erfolgte die Einweihung der „Talmud-Tora-Synagoge“ (wobei die Bezeichnung „Brodyer Schul“ unter den Betern weiterhin verbreitet blieb) durch Rabbiner Carlebach. Ihm zur Seite stand der Oberkantor und Mohel Hillel Schneider. Heute wirkt in Leipzig Zsolt Balla als Gemeinderabbiner. Er ist gleichzeitig Sachsens Landesrabbiner.
In Leipzig gibt es täglich G’ttesdienste, darunter auch festliche Schabbat- und Feiertagsgebete. Die Gemeinde bietet aber noch viel mehr, zum Beispiel Religionsunterricht für Schülerinnen und Schüler der Klassen 1 bis 12, einen Kindergarten in Zusammenarbeit mit der KiTa „Musikus“, ein Jugendzentrum mit vielfältigen Programmen für 6- bis 18-Jährige; Ausflüge, Fahrten, Ferienlager Nachhilfe in verschiedenen Schulfächern; Familienprogramme, soziale und kulturelle Klubs und kulturelle Veranstaltungen wie Konzerte, Lesungen und Ausstellungen im aktuellen Programm des Ariowitsch-Hauses. Die Sozialabteilung ist mit persönlicher bzw. telefonischer Beratung, mit Hilfe beim Ausfüllen von Anträgen und mit Begleitung zu Terminen bei Ämtern für die Gemeindemitglieder da.
Die Jüdische Gemeinde zu Dresden
כי ביתי בית תפילה יקרא לכל העמים
„Ki beiti beit-tefilah jikare lechol ha’amim“ – „Denn mein Haus werde genannt ein Bethaus allen Völkern“
Dieser Vers des Propheten Jesaja war bereits an der von Gottfried Semper erbauten Dresdner Synagoge zu lesen. Sie stand 100 Jahre lang am Hasenberg, bis zur Zerstörung der Reichspogromnacht 1938. Ihre Umrisse zeichnen sich heute als Band aus Edelstahl im Hof ab. Der Bau der Neuen Synagoge Dresden wurde finanziert durch öffentliche Mittel des Freistaates Sachsen und der Landeshauptstadt Dresden. Ein Förderverein zum Bau der Synagoge, der sich 1997 unter Leitung des Pfarrers Siegfried Reimann gründete, warb zudem über mehrere Jahre erfolgreich für Spenden. Diese Spenden leisteten einen entscheidenden Beitrag. Mit Inbetriebnahme des modernen Gemeindezentrums begann eine neue Entwicklungsetappe in der Geschichte der bereits 1838 gegründeten Gemeinde, die vor allem auch für den langwierigen Integrationsprozess der vielen neuen Mitglieder aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion eine ganz entscheidende Rolle spielte und spielt.

Geplant und gebaut wurden die Neue Synagoge Dresden und das Gemeindehaus auf dem Areal am Hasenberg als offenes Haus. Diesem Konzept fühlte sich die Jüdische Gemeinde zu Dresden erfolgreich verpflichtet. Zahllose öffentliche Veranstaltungen fanden hier statt. Hunderttausende Besucher kamen, unter ihnen unzählige Schulklassen und Jugendgruppen, um das jüdische G’tteshaus kennenzulernen. Erst die Ereignisse um den Angriff des rechtsextremistischen Attentäters auf die Hallenser Synagoge im Oktober 2019 an Jom Kippur zwang die Gemeinde das Verhältnis von möglicher Offenheit und erforderlicher Sicherheit zu überdenken.
Nach dem Umbau unter diesem Aspekt wird die Jüdische Gemeinde zu Dresden sich weiterhin für ihr Konzept des offenen Hauses für die Dresdner Stadtgesellschaft einsetzen und darüber hinaus auch neu mit Leben erfüllen. Während der Bauarbeiten finden die G’ttesdienste und ein Teil der Feste in der Kleinen Synagoge auf der Fiedlerstraße 3 statt. Nach Abschluss der Bauarbeiten am Hasenberg wird das Gebäude in der Fiedlerstraße wieder lediglich als Trauerhalle genutzt.
Die Jüdische Gemeinde Chemnitz
Die jüdische Gemeinde in Chemnitz wurde 1885 gegründet. Gottesdienste fanden anfangs in Mieträumen und einem provisorischen Betsaal statt. Nachdem die Gemeinde stark wuchs, folgte der Bau einer repräsentativen Synagoge auf dem Kaßberg, die am 7. März 1899 eingeweiht wurde. Die Synagoge stand bis 9. November 1933, als sie Pogromnacht angezündet wurde und niederbrannte. Die Initiative für den Bau einer neuen Synagoge in Chemnitz ging in den 1990er-Jahren von Siegmund Rotstein aus. Der gebürtige Chemnitzer war langjähriger Vorsitzender der Gemeinde, Präsident des Verbandes der Jüdischen Gemeinden in der DDR und später Vorsitzender des Landesverbandes Sachsen der Jüdischen Gemeinden. Der Entwurf für die Neue Synagoge stammt vom Architekten Alfred Jacoby. Die Finanzierung übernahmen der Freistaat Sachsen, die Stadt Chemnitz und die Jüdische Gemeinde Chemnitz. Der Bau an der Stollberger Straße wurde 2002 fertiggestellt, die Einweihung fand am 24. Mai 2002 statt. Die Mikwe in Chemnitz wurde von Rabbiner Meier Posen entworfen, einem weltweit renommierten Experten. Sie entspricht den Forderungen aller religiösen Strömungen im Judentum.

Die Synagoge bietet 160 Sitzplätze und verfügt auch über eine Frauenempore. Eine elektrische Orgel ergänzt die Ausstattung. Konzerte und andere Veranstaltungen können im Großen Festsaal abgehalten werden. G’ttesdienste finden generell an Schabbat und anderen Feiertagen statt. Jüdischer Religionsunterricht für die 1. bis 12. Klassen ist an zwei Stützpunkt Schulen (Grundschule, Gymnasium) etabliert. An der Gemeinde arbeitet eine Chewra Kadischa und der Verein Bikkur Cholim. Zwei Sozialarbeiterinnen kümmern sich um Gemeindemitglieder, die Unterstützung brauchen. Den Interessenten wird wöchentlich einmal ein Hebräischkurs geboten, außerdem ist in der Gemeinde das Erlernen der deutschen Sprache möglich. Darüber hinaus existieren folgende Angebote und Gruppen: Jugendtreff, Schachspiel für Kinder und Jugendliche, Musikunterricht, Gemeindechor, Tanzgruppe, Frauenclub, Bibliothek mit russischer Belletristik und Judaica in Russisch und Deutsch.
Die Jüdische Gemeinde Chemnitz plant die Stelle des Rabbiners ab 1. Juli wieder zu besetzen. Wegen der Sanierungsarbeiten in der Synagoge befindet sich die Gemeinde aktuell an einer Interimsadresse an der Webergasse in Chemnitz.
Mehr über die Geschichte der Jüdischen Gemeinde Chemnitz: „Juden in Chemnitz“. Hrsg. Jüdische Gemeinde Chemnitz / J. Nitsche und R. Röcher, Dresden 2002