Grußwort zur Veranstaltung „Antisemtismus begegnen“ am 8. November 2023 an der Hochschule der Sächsischen Polizei (FH)

Sehr geehrter Herr Polizeipräsident Jörg Kubiessa, sehr geehrter Herr Rektor der Hochschule der sächsischen Polizei, Dirk Benkendorff, lieber Prof. Dr. Tom Thieme, liebe Kooperationspartner, Referentinnen und Referenten, liebe Studierende, liebe Anwesende,

mein Name ist Nina Friedmann, ich leite die Wohlfahrtspflege des Landesverbandes Sachsen der Jüdischen Gemeinden und darf heute hier in Vertretung von Frau Dr. Nora Goldenbogen, unserer Vorsitzenden, sprechen. Sie kann leider aus gesundheitlichen Gründen heute nicht hier sein, lässt aber alle herzlich grüßen.

Mit der heutigen Veranstaltung „Antisemitismus begegnen – Jüdisches Leben stärken. Handlungsfelder der Polizei“ gehen wir an den Start für gleich zweierlei: Ab der kommenden Woche werden sich Studierende an der Hochschule der sächsischen Polizei im Rahmen einer Blocklehrveranstaltung intensiv mit Antisemitismus, seinem Wesen, seinen Erscheinungsformen und seiner Ideologie auseinandersetzen. Sie werden sich mit der Frage beschäftigen, was Antisemitismus eigentlich ist, wie man Antisemitismus erkennt und wie man nicht nur antisemitische Täter verfolgt, sondern sensibel mit den Betroffenen von Antisemitismus umgeht. Im kommenden Jahr werden thematische Angebote an den sächsischen Polizeifachschulen in Schneeberg, Chemnitz und Leipzig entstehen. Die heutige Veranstaltung ist auch ein Auftakt für eine akademische Kooperation zwischen dem Landesverband und seinen Partnern und der Hochschule der sächsischen Polizei. Sie soll in Gastvorträgen von Fachwissenschaftlern und einer Forschungskooperation mit Leben gefüllt werden.

Dahinter liegt ein klarer politischer aber auch gesellschaftlicher Auftrag: Nämlich Antisemitismus – egal aus welchen Teilen unserer Gesellschaft er kommt – wirkungsvoll und im Zweifel strafrechtlich zu begegnen. In den letzten Jahren mussten wir leider beobachten, wie antisemitische Einstellungen und in deren Folge antisemitische Straftaten stetig gewachsen sind. Wir leben in einer Zeit großer gesellschaftlicher Herausforderungen, Spannungen und immer stärker auch Widersprüche. Antisemitismus – das zeigt seine jahrtausende alte Geschichte – diente und dient gerade in solchen Zeiten als diskriminierendes Erklärungsmodell, das komplexe Zusammenhänge vereinfacht und Jüdinnen und Juden als Verursacher negativer Entwicklungen markiert.

Der heutige Abend ist vor diesem Hintergrund eine Reaktion auf das erneute Erstarken des Antisemitismus in Deutschland. Er ist das Resultat eines Umdenkens von Politik und nicht zuletzt von Polizei und Strafverfolgungsbehörden, auf antidemokratische Entwicklungen zu reagieren, die gesellschaftspolitische Bildung von Polizistinnen und Polizisten zu stärkern und ihnen so das Handwerkzeug zu geben, ihrem gesellschaftlichen und demokratischen Auftrag nachzukommen. Er ist aber auch Resultat – das muss ich Ihnen sagen – unseres eigenen Umdenkens.

Der Landesverband Sachsen der Jüdischen Gemeinden vertritt die hier lebenden Jüdinnen und Juden politisch und gesellschaftlich. Er kümmert sich, soweit dies nicht in den einzelnen Gemeinden geschieht, um Belange der Religion, der Wohlfahrtspflege, der Integration. Die Bekämpfung von Antisemitsmus sehen wir vor allem als eine Aufgabe der nichtjüdischen Gesellschaft. Und doch engagieren wir uns mit dem Projekt „Klug gegen Antisemitismus“, in dessen Rahmen die heutige Veranstaltung konzipiert wurde, in gemeinsamer Kooperation mit der sächsischen Polizei im Kampf gegen Antisemitismus.

Und das aus zweierlei Gründen: Als Jüdinnen und Juden wissen wir sehr gut, was Antisemitismus anrichtet. Die Angst vor erneuten Übergriffen auf unsere Synagogen und Gemeindezentren; die Angst, unsere Kinder in der Schule nicht vor antisemitschen Anfeindungen schützen zu können; die Angst, öffentlich zu zeigen, dass wir Jüdinnen und Juden sind. All dies begleitet uns spätestens seit dem Terrorattentat auf die Synagoge in Halle vom 9. Oktober 2019 und hat sich nach dem Terrorakt der Hamas und der darauffolgenden Welle antisemitscher Übergriffe in Deutschland nur noch verstärkt.  Andererseits geht es uns um die Stärkung des Vertrauens. Das Vertrauen von Jüdinnen und Juden in die Polizei ist vor dem Hintergrund der Shoah und der Rolle, die deutsche Polizeibehörden bei der Verfolgung und Vernichtung von Jüdinnen und Juden in der Zeit des Nationalsozialismus spielten, noch immer zu gering. Es ist unser Wunsch, deshalb dezidiert auch eine Betroffenenperspektive zu vermitteln. Ein sensibler Umgang mit Betroffenen von Antisemitismus stärkt langfristig ihr Vertrauen in die Polizei und trägt dazu bei, jüdisches Leben nicht als das ‚andere‘, sondern als normalen Teil Deutschlands zu stärken.

Deshalb danke ich der sächsischen Polizei für die Bereitschaft, mit uns diese Kooperation einzugehen. Dem sächsischen Ministerium für Soziales und gesellschaftlichen Zusammenhalt danke ich für die Förderung des Projektes im Rahmen des Pogramms „Weltoffenes Sachsen“. Nicht zuletzt danke ich unserem Team, Steffen Heidrich als Projektleiter – der heute leider aufgrund einer Termindopplung nicht anwesend sein kann – und unserer Mitarbeiterin Gabriele Atanassow, sowie unseren Kooperationspartnern Hatikva e.V., Kulturbüro Sachsen e.V. und dem Kompetenzzentrum für Prävention und Empowerment in Trägerschaft der Zentralen Wohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland für die kompetente Umsetzung. Ich wünsche uns allen viele neue Erkenntnisse und dem Projekt maximalen Erfolg.